
Einhard-Stiftung zu Seligenstadt


Einhard-Stiftung trauert um Margot Friedländer

Der Tod der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren löste bundesweit eine einzigartige Anteilnahme aus. Die traurige Nachricht wurde auch von der Einhard-Stiftung in Seligenstadt mit großer Betroffenheit aufgenommen. Die Stiftung hatte Friedländer 2009 den Einhard-Preis für ihr im Jahr zuvor erschienenes autobiographisches Werk „Versuche, dein Leben zu machen“ verliehen. In diesem Buch schildert sie ein-drucksvoll ihren Überlebenskampf während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft.
Zum Zeitpunkt der Verleihung lebte die damals 88jährige noch in New York und war in Deutschland nahezu unbekannt. Dorthin war sie nach dem Krieg mit ihrem Ehemann, Adolf Friedländer, ebenfalls ein Überlebender der Schoah, ausgewandert. Nach dessen Tod und dem Erscheinen ihrer Lebens-erinnerungen trug sie sich mit dem Gedanken, wieder in ihre Heimatstadt Berlin zurückzukehren. 2019 wurde Margot Friedländer bei einem Festakt der Deutschlandstiftung Integration in Anwesenheit von Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel der „Talisman“ verliehen. In der Dankesrede führte sie u.a. aus: „Im März 2009 erhielt ich von der Einhard-Stiftung in Seligenstadt den Einhard-Preis (…) danach habe ich mich entschlossen nach Berlin zu kommen“.
Viele Seligenstädter erinnern sich noch gut an die eindrucksvolle Preisverleihung. Der damalige Berliner Kultursenator, André Schmitz, ein enger Vertrauter Friedländer`s, sprach ein Grußwort und der berühmte Journalist Klaus Harpprecht hielt eine bewegende Laudatio. In ihrer Ansprache sagte die Preisträgerin zum Schluss: „Ich kann nicht die dritte Generation für die Fehler und die Verbrechen der Großeltern schuldig sprechen. Sie haben es nicht getan. Sie sind aber die, die dafür sorgen müssen, dass so etwas nie wieder geschieht“.
Am Montag nach der Preisverleihung besuchte Margot Friedländer das Einhard-Gymnasium in Seligenstadt und erzählte vor Schülerinnen und Schülern ihre Geschichte. Wie sie sich als deutsche Jüdin vor den Nationalsozialisten verstecken musste, wie sie später im Konzentrationslager Theresienstadt überlebte und gerettet wurde. Friedländer schien zu spüren, dass sie zu dieser Erinnerungsarbeit berufen ist. Nachdem sie 2010 nach Berlin zurückgekehrt war, begann sie unermüdlich Schulen und andere Einrichtungen mit bis zu drei Terminen pro Woche zu besuchen. Mit ganzer Kraft setzte sie sich gegen ein Vergessen der NS-Zeit ein und wurde in Deutschland zu einer der bekanntesten Zeitzeuginnen. Zur Einhard-Stiftung hielt sie weiter Verbindung, 2011 besuchte sie nochmalig Seligenstadt und nahm an einer Preis-Verleihung teil. Diejenigen in der Stiftung, die in Kontakt zu ihr standen, waren von ihrer menschlichen Wärme, die sie ausstrahlte, tief berührt.
Margot Friedländer erhielt in den letzten Jahren zahlreiche Auszeichnungen. Noch am Tag ihres Todes sollte sie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik geehrt werden. Der Einhard-Preis aber war die erste Auszeichnung, die sie empfing, und er stand am Beginn ihrer Rückkehr nach Deutschland. Deshalb wird Margot Friedländer, die in den Nachrufen als Jahrhundertlichtgestalt bezeichnet wurde, auch immer in Verbindung zu Seligenstadt stehen. Die Einhard-Stiftung ist stolz darauf, sie zu ihren Preisträgern zählen zu dürfen.
Einhard-Preis 2025 an Ulinka Rublack verliehen

Am 29. März 2025 ist in Seligenstadt der Einhard-Preis an Ulinka Rublack verliehen worden. Die Historikerin, die seit 1996 Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Cambridge lehrt, erhielt die Auszeichnung für ihre Biographie des Malers Albrecht Dürer (1471-1528). Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ist benannt nach dem Berater und Biographen Kaiser Karls des Großen, Einhard (* um 770, † 840), der in Seligenstadt lebte und dort ein Kloster gründete.
Die Preisverleihung fand vor rund 300 geladenen Gästen im Großen Saal des „Riesen“ in der Seligen-städter Altstadt statt. In seiner Begrüßungsanspra-che machte Christian Neubauer, der Vorsitzende des Präsidiums der Einhard-Stiftung, noch einmal deutlich, welchen Zweck die von Seligenstädter Bürgerinnen und Bürgern gegründete Stiftung verfolgt: die „große Vielfalt an biographischer Literatur aufzuzeigen und zum Lesen biographischer Bücher anzuregen“.


Das Kuratorium der Einhard-Stiftung, dem die Auswahl des Preisträgers obliegt, nannte in der Begründung für seine Entscheidung Rublacks Werk „ein ebenso überraschendes wie fesselndes Buch“ und „ein Geschenk an alle Leserinnen und Leser“. Besondere Würdigung erfährt die Leistung der Autorin, in fünfzehnjähriger Recherche die Entsteh-ungsgeschichte von Dürers berühmtem Heller-Altar erforscht zu haben. Diese Auftragsarbeit für den Frankfurter Kaufmann Jakob Heller galt lange als Dürers bekanntestes Werk. „Das Ergebnis ist eine mitreißende Dürer-Biographie. Eine brillante Kultur-geschichte des Kunstmarkts. Und ein staunender Blick auf die deutsche Renaissance.“

Die Laudatio auf Unlinka Rublack hielt Prof. Dr. Peter Burschel, Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Er hob hervor, dass es Rublack gelungen sei, „einen mikrohistorischen Fluchtpunkt“ zu gewinnen, der es ihr erlaube, Dürer und seine Zeitgenossen „so in den Blick zu nehmen, dass sie biographisch – und nicht zuletzt auch anthropologisch – ganz neu aufeinander bezogen werden können“. Nicht zuletzt seien es „die Dinge, die in diesem Buch den Takt vorgeben und Seite für Seite ihre Macht entfalten“. Die Jury, so Burschel, „hat sich für ein Buch entschieden, das um die Macht der Dinge weiß. Sie hat gut daran getan. Mehr als gut.“

