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Der Hintergrund: Einhards „Vita Karoli Magni"

Es ist kein Zufall, dass in Seligenstadt ein Literaturpreis für Biographien vergeben wird. Der Grund hierfür liegt über mehr als 1000 Jahre zurück: die „Vita Karoli Magni“ oder die „Karlsvita“, wie sie auch genannt wird, die erste Biographie Karls des Großen. Für den Heidelberger Mittelalterforscher Walter Berschin ist sie „das einzige Stück mittelalterlicher Biographie, das bislang Weltliteratur geworden ist: über den Kreis der Spezialisten hinaus ein geistiger Besitz vieler“. Das Werk wurde nach allem, was wir wissen, um 830 von Einhard in Seligenstadt verfaßt. Namhafte Historiker schreiben die Popularität Karls des Großen in Europa – und sogar darüber hinaus – zu einem be-trächtlichen Umfang diesem Lebensbild des abendländischen Kaisers aus der Feder Einhards zu. Es wurde im Mittelalter häufig abgeschrieben und fand weite Verbreitung.

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Ein Mann von europäischem Zuschnitt

Der erste Karlsbiograph wurde um das Jahr 770 als Abkömmling eines ostfränkischen Geschlechtes im Maingau geboren. Schon sehr jung kam er als Schüler an das Kloster Fulda, eine der bedeutendsten Bildungsstätten des Frühen Mittelalters in Europa. Abt Baugulf sandte Einhard um 794 an den Hof Karls nach Aachen.

Als Freund Alkuins, des Leiters der Hofschule, war Einhard dort bereits zwei Jahre später Mitglied des engeren Hofkreises und Tischgenosse des Kaisers. Nach Alkuins Übersiedlung nach Tours wurde Einhard eine der einflussreichsten Persönlichkeiten am Hof. Er genoss das Vertrauen des Herrschers und über-nahm rasch Verantwortung in der Hofschule, der Pflanz- und Pflegstätte für zahlreiche Talente in dieser Zeit. Wegen seiner Kunstfertigkeit wurde ihm auch die Aufsicht über den Kunstbetrieb am Hof über-tragen. Ferner war Einhard mit vielfältigen administrativen Aufgaben betraut.

 

Besonders am Herzen lagen Einhard die Nachfolgeregelungen im Karolingerreich. Im Jahre 806 reiste er im Auftrag des Kaisers nach Rom, um die Zustimmung des Papstes zu der von Karl damals beabsichtigten Teilung des Reiches einzuholen. 813 war er Wortführer der fränkischen Großen, die Karl aufforderten, seinen Sohn Ludwig zum Mitkaiser zu erheben.

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Seligenstadt, eine Schenkung Ludwigs des Frommen wird Einhards Refugium 

Am 11. Januar 815 erhielten Einhard und seine Gemahlin Imma aus kaiserlicher Hand das fränkische Hofgut Mulinheim, dessen heutiger Name Seligenstadt seit etwa 840 belegt ist, sowie die Mark Michelstadt im Odenwald. Daneben hatte der Herrscher Einhard sieben über die ganze zentraleuropäische Welt verstreut gelegene Reichs-klöster zu Lehen gegeben, in denen er das Amt eines Laienabtes ausübte: Östlich des Rheins Fritzlar, im heutigen Frankreich die Abteien St. Cloud bei Paris und St. Wandrille am Unterlauf der Seine bei Rouen, in den Niederlanden St. Servatius in Maastricht, im heutigen Belgien die beiden Klöster St. Bavo und Blandinium in Gent sowie in Italien das Stift San Giovanni „Domnarum“ in der alten langobardischen Residenzstadt Pavia.

Nach dem Tode Karls (28. Januar 814) war Einhard zunächst ausgiebig damit be-schäftigt, am Hof in Aachen den Zwist zwischen Ludwig und seinen Söhnen zu ent-schärfen, was sich für ihn als eine besonders schmerzliche Erfahrung herausstellte. Bald zog er sich von den Reichsgeschäften zurück und machte zunächst Michelstadt und dann Seligenstadt zum Mittelpunkt seines Lebens. In Seligenstadt gründete er ein Kloster und baute nach 830 eine auch heute noch erhaltene Basilika. Nach seinem Tod 840 fand er in der Kirche seine Grabstätte.

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Seligenstadt 

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